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China Strategien nach COVID: Bleiben, Nicht Bleiben, Diversifizieren?

Updated: May 6

Dr. Hans Au - 14. Feb. 2024


Die Ära des Primats der Kostenoptimierung in internationalen Handelsbeziehungen und für global agierende Unternehmen geht zu Ende. Angesichts weltweiter geopolitischer Spannungen und der durch COVID offengelegten Schwächen von Lieferketten fokussieren sich globale Unternehmensstrategien zunehmend auf Lieferkettensicherheit und auf handelspolitische Verlässlichkeit. Zusätzlich schwächt sich das Wachstum in China ab.

 

Was bedeutet das für Unternehmen, die in China aktiv sind? Wie passen die aktuellen Themen „Derisking“ und „China Plus 1“ (C+1) - also nicht nur in China zu investieren, sondern Geschäftstätigkeiten auf andere Entwicklungsländer auszudehnen - zur geschäftlichen Realität in und mit China? Nach unserer Beobachtung ist die Frage, ob man bleibt, das Engagement beendet (oder gar nicht anfängt) oder nur so viel wie nötig macht, stark abhängig von dem betriebenen Geschäftsmodell und auch von der Unternehmensgröße. Der Wechsel einer Strategie und dessen Umsetzung bindet enorme Ressourcen und nimmt viele Jahre in Anspruch, was sich Mittelständler oft nicht leisten können oder wollen.Insgesamt kann man etwa 3 Chinastrategien post Covid erkennen. Die diskutierten Fälle stammen alle aus den Jahren 2023-2024

 

1. „In China für China“: Unternehmen, die ihren Kunden just in time, sehr schnell oder einen hohen Anteil an Sonderanfertigung liefern müssen, sind sehr abhängig von einem kundennahen Standort innerhalb Chinas. Wenn der Standort China zugleich kosten- und ressourceneffektiver ist im Vergleich zu anderen Ländern, dann ist ein Wegzug aus China in der Regel nicht sinnvoll. In diesem Modell ist es oft besser die Lokalisierung vor Ort so weit voranzutreiben, damit die chinesische Niederlassung auch komplett autark handeln und entscheiden könnte. Eine zusätzliche Produktion „plus 1“ in Asien oder in Osteuropa würde dann allenfalls als weitere Option ins Spiel kommen.


Ein DCC-Kunde, der Weltmarktführer in Oberflächentechnik ist, wurde jüngst von einem europäischen Autohersteller (OEM) aufgefordert, seine Technologie nach China zum Produktionsstandort des OEM hinzubringen. Der OEM präferierte eindeutig ein lokales Lieferangebot aus Kosten- und Zeitgründen. Anstatt eine eigene Montage oder Aftersales in China aufzubauen, wurde eine Partnerschaft mit einem deutschen Line-Builder, der bereits über eine stark lokalisierte und autark entscheidende Produktion in China verfügt, geschlossen. Der Line-Builder wird in China die Anlagen für unseren Kunden produzieren, somit beschränkt sich die operative Präsenz unseres Kunden in China auf Montage und Aftersales-Techniker, die den Anlagenbetrieb bei dem OEM-Endkunden gewährleisten müssen. Dafür gibt unser Kunde Marge an den Line-Builder ab, muss aber außer einer Projektpräsenz in China kein Unternehmen aufbauen.


2. „Woanders für China“: in diesem Geschäftsmodell werden im Ausland hergestellte Güter nach China exportiert. Für dieses Modell ist typisch, dass solche Güter in China sehr nachgefragt werden und gleichzeitig wenig, bis gar kein, Know-How und auch keine Ressourcen- und Kostenvorteile bestehen, die eine Produktion in China rechtfertigen würden. Eine Ausnahme ist zwingende rechtlichen Gründe, die einen Standort in China erfordern.  Typisch für eine Produktion im Ausland für China sind z.B. Made in Germany Produkte mit hoher Qualität oder mit hohem Ansehen, wie z.B. natürliche Körperpflegeprodukte oder feinmechanische Produkte im Konsumgüterbereich.


Ein mittelständischer DCC-Kunde, ein Weltmarktführer in biotechnologischer Prozessmesstechnik, möchte auf Kaufanfragen aus China besser reagieren. Er müsste nicht in China produzieren oder Entwicklung betreiben, da das Know-How in China nicht vorhanden ist und auch die kundenseitigen Lieferzeiten und Preistoleranzen keinen Standort in China zwingend erfordern.  Dieser Kunde könnte aber dort Vertriebs- und Servicestrukturen aufbauen, um vor Ort Kunden besser zu bedienen, ohne dass zugleich auch die mit einer Produktion verbundenen Kosten und das Risiko von Know-How Verlust in China getragen werden müssen. In diesem Fall entschied sich der Kunde für eine Hosting-Lösung, wobei ein lokaler Dienstleister die Betriebsräume vor Ort, plus etwas Büro-Service, liefert und so dem Kunden erlaubt, sich auf Vertrieb und Service zu fokussieren. Dieses Beispiel zeigt, dass Entscheidungen zu Gunsten von Service und Kundenpflege oftmals trotz geopolitischer Unsicherheit der Vorzug gegeben wird. Dies ist vor allem bei hochspezialisierten Produkten oder dort, wo ein Unternehmen in einer Nischenbranche zu Hause ist, oft der Fall.


3. „In China für die Welt“: dieses Geschäftsmodell, wo ein Unternehmen in China produziert und in die Welt exportiert, folgte ursprünglich der Logik entscheidender Standortvorteile in China wie niedrigere Kosten, gute Lieferantennetzwerke und Arbeitskräfte. Sofern der Standort China keine Alleinstellungsmerkmale aufweist, ist ein solches Unternehmen der Paradefall wo ein „China plus 1“ Ansatz Sinn machen kann. Plus 1 könnte dann in einer zusätzlichen Produktion in asiatische Länder, die geopolitisch als neutraler (friend shoring) gelten, oder z.B. in Osteuropa (near shoring), bestehen. Oder man unterstützt eigene Lieferanten außerhalb Chinas Fuß zu fassen.


„Plus 1“ ist nicht unbedingt ein Thema, welches sich auf den Bereich Fertigung beschränkt, sondern kann auch für andere Unternehmensaktivitäten wie IT sehr relevant sein. Ein DCC-Kunde im Bereich B2B Software trennt organisatorisch und technisch seine IT-Systeme aufgrund der neuen Gesetze rund um Datensicherheit und -management und betreibt in China ein eigenes System, was auch autark laufen könnte.



Nach den in 2022 und 2023 durchgeführten Umfragen der Verbände und Handelskammern in China ist „China Plus 1“ aber keinesfalls bei der Mehrheit der in China tätigen deutschen oder europäischen Unternehmen ein Thema was aktiv umgesetzt wird. Nach unserer Einschätzung wird es einen First Mover eher bei den Großkonzernen geben, da die Aufgabenstellung enorm ist. Allerdings haben BASF und VW im Jahr 2023 gerade Investitionen in China sogar intensiviert, was oft als ein too big too fail Fall bewertet wird.



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